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PR-Desaster "Rainbow Warrior II" in Bangladesch abgewrackt

Greenpeace kämpft gegen die Zerlegung von Schiffen unter widrigen Bedingungen an den Stränden von Bangladesch. Nun ist die Umweltschutzikone "Rainbow Warrior II" genau dort gelandet - einschlägige Firmen spotten.
Die "Rainbow Warrior II" im Einsatz (2002)

Die "Rainbow Warrior II" im Einsatz (2002)

Foto: Paul McErlane/ REUTERS

"Wir haben einen Fehler gemacht, einen, den wir versucht haben, zu korrigieren." So beginnt eine Mitteilung von Greenpeace International, veröffentlicht am 15. November 2018 auf der Website  der Umweltorganisation. Die Nachricht ist nicht ganz leicht zu finden - und das ist kein Wunder. Schließlich ist es kein kleiner Fehler, sondern ein gravierender Verstoß gegen die selbst gesetzten hehren Ziele: "Wir haben es zugelassen, dass die Rongdhonu, ehemals Rainbow Warrior (II), auf einem Strand in Bangladesch verschrottet wird, auf eine Art und Weise, die nicht den Standards entspricht, die wir uns gesetzt haben und die wir versuchen, weltweit zu etablieren."

Es ist mehr als ein Fauxpax der Umweltschützer. Vielleicht ist die Erklärung auch deshalb beispielsweise auf der deutschen Website nicht zu finden.

Was Greenpeace mit den selbstgesetzten Standards meint: Gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Shipbreaking Platform kämpft die Organisation seit Jahren gegen die Abwrackung von Schiffen an den Stränden von Entwicklungsländern wie Indien, Bangladesch oder Pakistan.

Arbeiter am Strand von Chittagong (Bangladesch)

Arbeiter am Strand von Chittagong (Bangladesch)

Foto: Andrew Biraj/ REUTERS

Seit Jahrzehnten werden dort Containerschiffe, Tanker und andere große Schiffe bei Hochwasser auf den Strand gesetzt und von Arbeitern unter katastrophalen Bedingungen verschrottet, größtenteils per Hand. Die zahlreichen Giftstoffe in den Schiffen, wie zum Beispiel Asbest oder PCB, gelangen ungehindert in die Umwelt - Arbeitsschutz gibt es so gut wie gar nicht.

Und nun liegt dort auch das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior II".

Ausgerechnet das Nachfolgeschiff der "Rainbow Warrior" (Regenbogenkrieger), die den Mythos von Greenpeace mitbegründet hat. Mehrfach stand die "Rainbow Warrior" im Mittelpunkt von Auseinandersetzungen: Sie wurde im Einsatz gerammt, die Mannschaft verprügelt und 1985 schließlich vom französischen Auslandsgeheimdienst versenkt. Es sollte verhindert werden, dass Greenpeace mit dem Schiff vor dem Mururoa-Atoll in Polynesien gegen die französischen Atomtests protestiert - ein Fotograf der Organisation starb bei dem Anschlag.

Die "Rainbow Warrior" nach dem Anschlag im Juli 1985

Die "Rainbow Warrior" nach dem Anschlag im Juli 1985

Foto: PATRICK RIVIERE/ AFP

Vier Jahre später lief der Nachfolger, ein umgebauter Trawler, unter demselben Namen zur Jungfernfahrt aus.

22 Jahre stand der Dreimaster "Rainbow Warrior II" unter niederländischer Flagge im Dienste von Greenpeace und unterstützte öffentlichkeitswirksam den Kampf gegen Überfischung und Walfang, gegen Kriege, die Erderwärmung, kurz gegen jedes Umweltverbrechen kreuzte das Schiff durch alle Weltmeere. 2011 war das Schiff langsam zu alt für den Kampf auf hoher See. Greenpeace spendete die "Rainbow Warrior II" an die befreundete Organisation Friendship in Bangladesch.

Letzter Einsatz als Krankenhausschiff

Die NGO taufte das Schiff auf den Namen Rongdhonu, Regenbogen, baute es in ein Krankenhausschiff um und versorgte damit die Bevölkerung entlang der Flüsse und der Küste. Nach eigenen Angaben führten Mediziner für Friendship mehr als 5000 Operationen an Bord durch und behandelten insgesamt mehr als 160.000 Menschen, die keinen Zugang zu Ärzten oder Krankenhäusern hatten.

Unter dem Namen "Rongdhonu" war die "Rainbow Warrior II" bis 2018 im Einsatz

Unter dem Namen "Rongdhonu" war die "Rainbow Warrior II" bis 2018 im Einsatz

Foto: STRINGER/ AFP

2018 war das 61 Jahre alte Schiff schließlich so marode, dass es auch den Anforderungen der Behörden in Bangladesch nicht mehr genügte. Es musste verschrottet werden. Für diesen Fall hatte Greenpeace sich eigens ein Veto zusichern lassen, damit die Ex-Rainbow Warrior II eben nicht am Strand von Chittagong landet, einem der größten Schiffsfriedhöfe weltweit, im Osten von Bangladesch. Greenpeace aber legte das Veto eben nicht ein und deshalb liegt das Schiff nun dort, bei der PHP-Werft. Der Name ist eine Abkürzung für Peace, Hapiness, Prosperity - Friede, Freude, Wohlstand.

Wie konnte das geschehen?

Vielleicht sah Greenpeace PHP als kleinstes Übel an, schließlich ist sie die einzige Werft in Chittagong, die nach der Hongkong Konvention für umweltfreundliches Recycling von Schiffen zertifiziert ist. Allerdings legt das im Jahr 2009 beschlossene Übereinkommen zwar Regeln für die Abwrackung von Schiffen fest, die Wirkung ist aber fragwürdig. So werden die Zertifikate von privaten Unternehmen ausgestellt, die weder von staatlichen noch von anderen internationalen Institutionen kontrolliert werden. Und das Abkommen ist nicht einmal in Kraft , nur sechs Staaten haben es überhaupt ratifiziert. Und die von Greenpeace mitgetragene Shipbreaking Platform hat in Bezug auf PHP schon vor einem Jahr explizit vor "Greenwashing" gewarnt .

Vergeblicher Versuch der Schadensbegrenzung

Der Pressesprecher von Greenpeace International, Mike Townsley, nannte den Vorgang im Gespräch mit dem SPIEGEL "sehr peinlich" und wiederholte, was die Organisation bereits am 15. November in ihrer Erklärung veröffentlicht hatte. Darin heißt es: "Wir hätten unsere Partner der Shipbreaking Platform konsultieren sollen, das haben wir nicht getan. Keine Ausrede. Das hätten wir tun sollen." Das Zerlegen der Schiffe an Stränden wie Chittagong sei auf keinen Fall zu akzeptieren, sagte Townsley, das sei in keinem Fall umweltgerecht.

Die belgische Website MO, die als erste über den Fall berichtete , zitiert Greenpeace Norwegen mit der Aussage, dass die Entscheidung "das Ergebnis eines großen internen Fehlers" sei.

Statt den eigenen Fehler aber maximal transparent öffentlich zu machen, versucht Greenpeace den Schaden möglichst lange klein zu halten. Die Organisation verhandelt nach eigenen Angaben nun mit PHP darüber, die besonders giftigen Materialien aus der Rongdhonu selbst in ein Land zu bringen, in dem diese fachgerecht entsorgt werden können. Ein Rückkauf des Schiffes scheiterte an der Preisforderung von PHP: Zehn Millionen Dollar habe die Werft verlangt, sagte Townsley dem SPIEGEL.

Häme aus der Industrie

Für die Begrenzung des Reputationsschadens dürfte es unterdessen zu spät sein. Die Firma GMS ist eine der größten der Branche, sie kauft Reedereien ihre Schiffe für Bargeld ab und verkauft sie weiter an Abwrackbetriebe wie die in Chittagong. Und sie nutzt die Ex-Rainbow Warrior II gekonnt für die Selbstvermarktung: Schon einen Tag bevor Greenpeace die Erklärung in eigener Sache veröffentlichte, schickte GMS eine Pressemitteilung raus : "Greenpeace hat endlich erkannt, dass insbesondere Bangladesch ein Ziel für umweltfreundliches Recycling sein kann. Greenpeaces früheres Schiff, die MV Rongdhonu Ex-Rainbow Warrior II, wurde kürzlich zum Recycling auf die PHP Werft in Chittagong verbracht." Und weiter: "GMS gratuliert sowohl Greenpeace als auch Friendship zur aktiven Teilnahme an der grünen Transformation der Schiffsrecyclingindustrie in Bangladesch."

Es dürfte für Greenpeace schwierig werden, dem zu widersprechen. Und noch unangenehmer: Die Betreiber der Shipbreaking Platform zeigen sich tief enttäuscht. Greenpeace müsse nun beweisen, dass es der Organisation mit der Unterstützung der "off-the-beach"-Kampagne ernst ist.

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